Beitrag von Anja Thürnau
„Alle, die sich für den Kinderschutz engagieren, sind in der aktuellen Corona-Krise in höchster Sorge um das Wohl vieler tausend Kinder. Familien sind lange und ununterbrochen zusammen, oft beengt und ohne Privatsphäre. Für viele ist das eine schwierige Situation, für Kinder und Frauen steigt das Risiko, in den eigenen vier Wänden misshandelt und missbraucht zu werden. Gerade jetzt kommt es auf höchste Sensibilität und Solidarität an. Bitte passen Sie aufeinander auf! “ — Johannes-Wilhelm Rörig, unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM)
Als Sozialpädagogin, systemische Beraterin und Mutter liegt mir das Wohl der Kinder sehr am Herzen. Durch meine langjährige Tätigkeit im Jugendamt als insoweit erfahrene Fachkraft im Kinderschutz und als Kita-Fachberaterin weiß ich um die vielfältigen Belastungslagen von Familien und wie wichtig die strukturierenden Angebote in Kita und Schule für viele Kinder und Familien sind. Aufgrund der Schließungen und durch das erlassene Kontaktverbot in der Corona-Krise befürchte ich, gemeinsam mit vielen KollegInnen zahlreiche Konflikte hinter den geschlossenen Türen, die u.a. durch die fehlende Tagestruktur, räumliche Enge und die wirtschaftliche Not der Familien entstehen. Besonders um die schutzbedürftige Gruppe der Kinder psychisch kranker Eltern, die dringend die Betreuung in den Notgruppen in Kita und Schule benötigen würden, mache ich mir große Sorgen. Ja, es fühlt sich bisweilen so an, als seien uns psycho-sozialen Fachkräften die Hände gebunden. Um aus dieser Stimmung wieder in eine zuversichtliche und ressourcenorientierte Haltung zu kommen und die eigene Psyche gegen diese „Emokokken und Kognokokken“ (vgl. Michael Bohne) zu immunisieren, habe ich gemeinsam mit Sabine Ebersberger und Michael Bohne einige helfende, stärkende Sätze als Kartenset-Erweiterung für die sozialen Berufe entwickelt. Denn, wir können als psycho-soziale Fachkräfte viel tun!
Es sind bereits vielfältige Ideen und spannende Angebote entstanden, um zu unterstützen und den Kindern und Familien Hilfe und Beratung zugänglich zu machen. So bietet eine Kita im Landkreis Hildesheim beispielsweise einen interaktiven Online-Morgenkreis für ihre Kinder und deren Familien an, in dem gemeinsam gesungen und gespielt wird. Die Kita hat die Erfahrung gemacht, dass dies den Kindern einerseits weiterhin etwas von der gewohnten Struktur bietet und andererseits die Kita den Kontakt zu den Kindern aufrechterhalten kann. Die KollegInnen in den Jugendämtern unterstützen Eltern und Familien teilweise im Schichtsystem und halten durch ihre Arbeit den Schutz von Kindern und Jugendlichen aufrecht, Beratungsstellen bieten Hotlines für Kinder, Jugendliche und Eltern in den Abendstunden und am Wochenende an. Da wären noch viele innovative Angebote zu nennen, die Mut machen.
Ich möchte hier gern über einige nennenswerte Initiativen informieren, die entstanden sind, um Kinder zu schützen.
- Der Kinderschutzbund unterstützt und veröffentlicht eine „Stellungnahme zur Notwendigkeit der Notbetreuung von psychisch kranken Kindern und Kindern von psychisch kranken Eltern in Kindertagesstätten und Schulen während der Coronakrise“. Den Link zum Artikel gibt es hier.
- Die Initiative des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) finden Sie hier. Auf dieser Webseite weist das Jugendamt Verl – beispielhaft für alle Jugendämter in Deutschland – daraufhin, dass das Jugendamt nicht geschlossen hat, „sondern auch weiterhin in Krisensituationen Hausbesuche durchgeführt werden„. Wichtig ist diesbezüglich auch darauf hinzuweisen, dass sich auch weiterhin alle Geheimnisträger (Lehrer, Ärzte, TherapeutInnen usw.) im Zuge des § 8b SGB VIII fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen bei ihrem zuständigen öffentlichen Jugendhilfeträger (Jugendamt) in Anspruch nehmen können.
- Die UBSKM stellt Flyer und Plakate zur Verfügung, mit der Bitte diese zu verteilen und für alle sichtbar zu machen. Diese Flyer und Plakate sollen „in allen Hausfluren hängen, in allen Supermärkten, Apotheken, bei allen Ärzt*innen, in allen Krankenhäusern, an jedem Baum. Wir möchten, dass Menschen erfahren, dass Sie aufeinander aufpassen sollen und was zu tun ist, wenn sie einen Verdacht oder ein komisches Gefühl haben. Wir möchten, dass das Internet über das Thema spricht und auf unsere Seite und unsere Hilfeangebote hinweist. Wir möchten, dass Kinder und Jugendliche erfahren: es gibt Hilfe.“ Die Aushänge und Flyer können hier heruntergeladen werden.
Weitere Informationen: www.kein-kind-alleine-lassen.de
Also, lasst uns den coronabedingten, räumlichen Abstand halten und trotzdem die Augen und Ohren für den Schutz unserer Kinder offenhalten!
Quelle Beitragsfotos: https://www.deine-playlist-2022.de/keinkindalleinelassen
2 Antworten auf „Auf alle Kinder schauen!“
Liebe Anja,
ganz herzlichen Dank für diesen so wertvollen Beitrag und die vielen wichtigen Infos und Links.
Die Sorgen teile ich und es fühlt sich – trotz der ganzen Bemühungen – nach einem „zu wenig“ an. Wie du schreibst, uns sind die Hände gebunden. Aber was möglich ist, sollte jede und jeder möglich machen und nutzen!
Der Beitrag bzgl. Notbetreuung für Kinder psychisch kranker Eltern wandert gleich mal in unsere Kita und Schule. 😉
Das Plakat des UBSKM hängt schon an unserer Schule. Es ist soooo wichtig!
Alle streuen und mitmachen!
Liebe Alina,
vielen Dank für deinen wertschätzenden Kommentar, dein Interesse und Engagement!
Herzliche Grüße & bleibe gesund!
Anja